Trennungen laufen selten einvernehmlich, meistens entscheidet eine Person, dass es für sie
vorbei ist und die andere Person hängt in dieser Entscheidung unfreiwillig mit drin. Das ist
selten einfach, manchmal wird es hässlich und manchmal wird es richtig gefährlich, für
Männer, aber insbesondere für Frauen. Internalisierte Misogynie sorgt dafür, dass es Frauen,
welche sich aus schädlichen oder missbräuchlichen heterosexuellen Beziehungen befreien,
schwer gemacht wird, sich zu trennen und danach auch wieder Fuß zu fassen. Es sind
die immer gleichen Narrative, welche sich seit Jahrzehnten wiederholen, aber nichts an ihrer
Durchschlagkraft geändert haben. Es erfolgt eine Umkehr des Geschehenen, übergriffiges
Verhalten und sexualisierte Gewalt werden bagatellisiert und am Ende liegt die Schuld ganz
klar nur bei einer Person – der Frau. Warum das seit Jahren so gut funktioniert und welche
Narrative das überhaupt sind, darauf möchte ich im Folgenden eingehen.
„Die Familienzerstörerin“
Anfang 2021 machte die Trennung zweier Prominenter Schlagzeilen: der Fußballer Jerome Boateng und das Model Kasia Lenhard gingen getrennte Wege. Danach begann eine beispiellose Hetzjagd der Medien. Boateng propagierte in Interviews das Narrativ der Familienzerstörerin, welches lange Tradition hat. Nach einer Trennung wird die Frau als unberechenbare Furie dargestellt, die versucht, den Mann zu zerstören. Dieser sei das eigentliche Opfer, die Frau habe ihn von vorne bis hinten manipuliert und versuche nun, ihn und seine Reputation und dazu noch die Beziehung zu den Kindern zu zerstören. Diese Rolle ist bekannt und in der Literatur und den Medien häufig wiederzufinden. Ein Beispiel ist die böse Stiefmutter oder die jüngere Affäre des Vaters. Im Kern ist dieses Narrativ höchst frauenfeindlich: Es ist die Frau durch ihre schwierige Natur schuldig am Scheitern der Beziehung, nicht die Gewalt oder der Missbrauch, die stattgefunden haben. So findet eine Täter-Opfer-Umkehr statt, die der Frau ihre Erfahrungen abspricht und bagatellisiert.
„Die eifersüchtige Ex“
Ebenfalls beliebt ist die Erzählungen der eifersüchtigen Exfreundin, welche sich gar nicht vom Mann getrennt hat, sondern eigentlich er von ihr, oftmals für eine neue Liebe. Wenn dazu noch emotionale oder körperliche Gewalt stattgefunden hat, dann wird das Narrativ der eifersüchtigen Ex gerne genutzt, um ihre Aussagen zu relativieren. Es handele sich hierbei nur um einen Racheakt, um den Mann dafür zu bestrafen, dass er sie verlassen hat. Es ist doch allgemein bekannt, wie schnell solche Vorwürfe ein Leben zerstören können! Und das weiß die böse Ex-Freundin und macht es sich zunutze. Auch hier findet eine Täter-Opfer-Umkehr statt: die Frau, die eine missbräuchliche Beziehung verlässt oder aber im Nachhinein über ihre Erfahrungen spricht, wird im Umkehrschluss erneut zur bösen Furie, die das Leben des Mannes zerstören will, mit allen Mitteln. Misogynie beschreibt zunächst einmal Frauenfeindlichkeit und die generelle Unterordnung des weiblichen Geschlechts. Dies bezieht sich auf alle Ebenen des Zusammenlebens: gesellschaftlich, politisch und privat. In ihrer Intensität kann Misogynie höchst unterschiedlich sein, von Vorurteilen bis hin zu Femiziden. Der gekränkte Stolz des Gegenübers wird der Frau zurückgegeben: sie ist diejenige, die sich jetzt rächen will. Dies sind nur zwei Beispiele für misogyne Narrative, die es Frauen erschweren, sich aus gefährlichen Beziehungen zu befreien und ihre Glaubwürdigkeit zu erhalten. Aber warum funktionieren diese Taktiken, die doch so leicht zu durchschauen sind?
Konfrontation mit der eigenen Schuld
Wenn wir anerkennen, dass in unserem Umfeld, in unseren Familien, Frauen von ihren Partnern bedroht und geschlagen werden, dann müssen wir auch anerkennen, dass wir das nicht bemerkt haben. Oder noch schlimmer: wir haben es bemerkt und uns entschieden wegzuschauen. Die Anerkennung der Schuld des Täters beinhaltet also auch immer die Anerkennung der eigenen Schuld. Und das ist schwer auszuhalten.
Die Entthronung
Gewalt in jeglicher Form ist etwas, das gemeinhin als inakzeptabel gilt. Wenn wir nun erkennen, dass jemand, den wir lieben oder mögen so eine Seite an sich hat, dann wollen wir das oft nicht glauben. Der liebende Ehemann, der fürsorgliche Vater – das kann doch unmöglich sein. Im Zuge von #meetoo wurden zahlreiche Missbrauchsfälle prominenter Männer öffentlich. Selbst bei einer scheinbar großen Distanz, fiel es vielen Anhänger*innen schwer, sich von ihrer Vorstellung ihrer Idole zu verabschieden. Die Entthronung eines Vorbilds oder eines geliebten Menschen ist immer etwas, das mit Schmerz verbunden ist.
Die Illusion von Sicherheit
Wenn sogar unser lieber Nachbar seine Frau geschlagen hat, was ist denn dann überhaupt noch sicher, wem kann man denn dann noch vertrauen? Dass Menschen selten eindeutig gut oder schlecht sind, ist für uns Menschen, die Dinge gerne in klare Kategorien einteilen, schwer zu ertragen. So sehr man es sich wünschen mag, es gibt keine Checkliste, anhand der man die „Guten“ von den „Schlechten“ trennen kann. Diesen Verlust von vermeintlicher Sicherheit auszuhalten, kann unangenehm und beängstigend sein. Dies sind selbstverständlich nur Ansätze, um zu erklären, warum misogyne Stereotype in unserer Gesellschaft so gut und nachhaltig funktionieren. Es sei nochmal verdeutlicht, dass es sich hier lediglich um die Betrachtung heterosexueller, monogamer Beziehungen handelt. Selbstverständlich betreffen Gewalt und Missbrauch Menschen aller Geschlechter, dieser Artikel setzt sich lediglich mit dem Phänomen der Misogynie und der Gewalt auseinander. Dabei ist die Natur der Gewalt irrelevant, es gibt keine sinnvolle Einteilung in schlimme und weniger schlimme Gewalt. Jedes Mal, wenn die Grenze eines Menschen verletzt wird, dann handelt es sich um einen gewaltvollen Akt. Gerade wenn diese Gewalt von einem Menschen ausgeht, den man liebt, ist es besonders schwer, für sich einzustehen und eine räumliche und emotionale Trennung vorzunehmen. Die genannten misogynen Narrative, die so tief verankert sind, erschweren es Überlebenden, sich Gehör zu verschaffen und offen über ihre Erfahrungen zu berichten. Ein erster Schritt, um diese Stereotype aufzulösen, ist es, sich ihrer bewusst zu werden und das nächste Mal, wenn diese in den Medien oder unserem Umfeld auftauchen, innezuhalten und hinter die Fassade zu blicken.