Ausstellungsplakat „Umfunktionierungen“, 1969, Siebdruck auf Bristolkarton
Das Ausstellungsplakat „Umfunktionierungen“ bezieht sich auf das von Wolf Vostell geschaffene Werk „Miss America“ aus dem Jahre 1968. Vostell ist ein deutscher Künstler, der von 1932 bis 1998 gelebt hat. Er entwickelte die künstlerische Technik der „Verwischung“. Hierbei vergrößerte er Fotografien aus Zeitungen und Zeitschriften auf einer Leinwand und verwischte sie anschließend. Bei dem Werk „Miss America“ handelt es sich um eben jene Technik. Hierfür verwendete er ein im Jahre 1968 erschienenes Pressefoto, das weltweit durch die Medien ging. Es zeigt die Exekution eines Mannes im Zivil durch den südvietnamesischen Polizeichef von Saigon. Der auf offener Straße Hingerichtete war ein Guerilla der Vietkong, der gegen Südvietnam und somit auch gegen die USA kämpfte. Es ist eines der erschütterndsten und wichtigsten Bilddokumente des Vietnamkrieges und wurde wegen der internationalen Aufmerksamkeit zu einem Symbol für die anwachsende Bedeutung von Massenmedien in der Kriegsführung.
Die Fotografie bewirkte zudem einen Stimmungswechsel in den USA, da die Amerikaner*innen durch die dokumentierte Exekution eines Zivilisten von den Grausamkeiten in den eigenen Reihen erfuhren. Vostell verwendete diese Fotografie für sein Werk und nahm somit Bezug zum Vietnamkrieg. Sein Werk sollte „Störfeuer, Mahnung, Protest“ sein. Im Vordergrund ist die vorher genannte Fotografie abgebildet. Zu sehen sind ein Arm, eine Pistole und das Gesicht des Hingerichteten, in dem Moment, in dem er sein Leben verliert. Vostell kombiniert dieses Zeugnis des Terrors mit einer kontrastreichen Abbildung einer tanzenden Schönheitskönigin. Er stellt damit zwei komplett verschiedene Welten einander gegenüber. Zum einen den schrecklichen Terror des Vietnamkrieges und zum anderen die oberflächliche Welt der Schönheitswettbewerbe. Somit übt er Kritik an den unterschiedlichen Gesichtern Amerikas aus, die nach außen getragenen Bildern und jene, die von der Öffentlichkeit ferngehalten werden. Die Thematik seines Werkes ist somit nach wie vor sehr aktuell und auf die heutige Zeit übertragbar.
Der Titel der Ausstellung „Scheitere an einem anderen Tag“ bezieht sich auf ein Zitat aus einem James-Bond-Film und verweist somit auf die Rolle des Siegenden und die des Verlierenden. In den James-Bond-Filmen übernimmt der Superagent üblicherweise die Rolle des Siegenden und zudem auch die des „Guten“. Bei den Verlierenden handelt es sich hingegen meist um die bösartigen und moralisch nicht vertretbaren Mächte. Nun könnte man bezüglich des Vietnam-Krieges schnell davon ausgehen, die Amerikaner*innen wären die Superagenten. Zumindest haben sie sich in der Vergangenheit bemüht dieses Bild nach außen abzugeben. Aus dem Vietnam-Krieg sind diese „selbernannten Superagenten“ dennoch als Verlierer herausgegangen. Und dieses Scheitern bezieht sich nicht allein auf den endgültigen Sieg Nordvietnams im Jahre 1975, sondern ebenso auf das weltweit bröckelnde Bild der amerikanischen Moral.
Die Auseinandersetzung mit diesem Werk war ein sehr emotionaler Prozess für mich, da ich mich, um die Hintergründe des Werkes zu erfahren, intensiv mit dem Vietnamkrieg und den damit verbundenen Kriegsverbrechen beschäftigt habe. Von diesen Verbrechen habe ich nicht zum ersten Mal gehört, jedoch haben sie Mal für Mal die gleiche erschreckende, Entsetzen erregende Wirkung auf mich. Und das ist auch gut so. Wir sollten nie aufhören die Geschehnisse aus der Vergangenheit zu hinterfragen und uns ein moralisches Scheitern einzugestehen. Aus diesem Grund empfinde ich „Miss America“ als ein politisch und gesellschaftlich sehr bedeutsames Werk.
Titelbild Quelle : Wolf Vostell „Miss Amerika“ (1968). Ein Teil des Bildes ist unter dem Titel „Umfunktionierungen“ zu sehen in der Ausstellung „Scheitere an einem anderen Tag“ im Kunstverein Tiergarten, Galerie Nord.