BK-Journalistin Tasja hat zusammen mit BK Journalist Marin zur bevorstehenden Kollegfusion recherchiert und wichtige Fragen bereits in einem FAQ-Artikel aufgearbeitet. Im Zuge der Recherche hat Tasja auch Interviews mit drei Lehrkräften geführt, um einen Einblick aus Lehrer(innen)sicht zu diesem Thema zu erhalten. Tasja hat Fr. Borkowski, Fr. Müller und Fr. Lent über ihre persönliche Einstellung und ihre Gefühle zur Kollegfusion befragt.
Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie von der Kollegfusion erfahren haben?
Fr. Borkowski: Neutral habe ich mich gefühlt. Ich habe es einfach aufgenommen und war schon eher gefasst, da mir bewusst war, dass etwas passieren wird. Trotz allem war ich überrascht, dass es einfach so beschlossen wurde und wir diejenigen sind, die nach drüben gehen müssen. Ein paar Tage später hatte ich aber doch ein deutliches Gefühl, und zwar Angst, dass sich die Leue von der anderen Schule überfallen fühlen könnten. Und ob es sich im Gesamten fügen wird und ob wir gut zusammen passen.
Fr. Müller: Mit so etwas wie der Nachricht einer Kolleg-Zusammenlegung hatte ich bereits gerechnet und war mental darauf vorbereitet, ich hatte jedoch viele Gefühle hintereinander, z.B. Schock und Wut. Schockiert darüber, dass es unser Kolleg getroffen hat und wütend über die Art, wie es den Kolleg*innen mitgeteilt wurde – vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Es war ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die auf das Berlin-Kolleg gehen. Wütend darüber, dass diese Situation als Gewinn verkauft wurde und dass man das Kollegium nicht in die Entscheidung mit einbezogen hat. Ich meine nicht die Schulleitung, sondern vonseiten der höheren Instanzen. Es zeigt für mich einen Mangel an Respekt dem zweiten Bildungsweg gegenüber.
Fr. Lent: Dass es im Zweiten Bildungsweg irgendwann dazu kommen wird, Kollegs zusammenzulegen, hat mich nicht überrascht. Diese Tendenz war seit einigen Jahren absehbar und auch erwartbar. Was mich frustriert, ist, dass der Zweite Bildungsweg in Berlin anscheinend nicht als Chance und als etwas Großes angesehen wird, das gut durchdacht und dann auch gut geplant werden könnte – mit der notwendigen Finanzierung. Wenn man nach Hamburg schaut, dann sieht man, was möglich ist. Persönlich war ich traurig und vor allem auch geschockt, denn die Verlegung nach Schöneberg hat von mir eine Grundsatzentscheidung verlangt. (siehe nächste Frage).
Wieso haben Sie sich dazu entschieden, zu bleiben bzw. nicht mit nach Schöneberg zu gehen?
Fr. Borkowski: Ich bleibe euch erhalten, denn ich arbeite gerne am Kolleg, ich mag die Kollegiatenschaft als Schülerschaft sehr gerne und kann mir nicht gut vorstellen, mit Jüngeren zusammenzuarbeiten. Zudem sehe ich es auch als einen Neubeginn, als eine zweite Chance, auch um eine neue Umgebung und neue Kolleg*innen kennenzulernen.
Fr. Müller: Ich wollte das nicht mit mir machen lassen. Für mich fühlte es sich wie eine Missachtung der bereits erbrachten Leistung gegenüber den Menschen an, die auf das Kolleg gehen. Wenn ich nicht gesundheitlich schon angeschlagen wäre, wäre das vielleicht machbar. Als ich jedoch das Gebäude des Schöneberg-Kollegs sah, war mir klar, dass ich das nicht mit mir machen lassen werde, weil ich weiß, dass mir das gesundheitlich nicht gut tun wird. Atmosphärisch finde ich es dort schlechter, z.B. lauter und es fühlt sich für mich wie eine „Betonwüste“ an, es stinkt an manchen Stellen und mit meiner Migräne wäre das nichts für mich. Ich habe mir natürlich ein Bild von der Lage gemacht, aber diese Arbeitsbedingung möchte ich mir nicht antun. Ich könnte es niemandem als etwas Gutes verkaufen und so habe ich mich dazu entschieden, nicht mit rüberzugehen.
Fr. Lent: Eigentlich habe ich mich ja entschieden, zu bleiben! Nur eben in diesem Gebäude und in Mitte, nicht am Kolleg. Da ich in den Personalrat der Allgemeinbildenden Schulen in Mitte gewählt bin, stand für mich eine schwerwiegende Entscheidung an: am Kolleg zu bleiben und nach Schöneberg zu gehen hätte für mich bedeutet, dass ich nicht mehr meiner Arbeit im Personalrat nachgehen kann. Um also weiterhin dort tätig sein zu können, musste ich an eine Schule in Mitte wechseln. Da mir die Arbeit im Personalrat sehr wichtig ist und auch einen guten Ausgleich zur Lehrtätigkeit bedeutet, habe ich mich letztlich dafür entschieden, dass es Zeit für etwas Neues ist.
Welche Herausforderung/Verbesserung sehen Sie?
Fr. Borkowski: Als Herausforderung sehe ich, dass wir natürlich in viel kleineren und engeren Räumen mit mehr Personen arbeiten werden. Zudem mache ich mir um die Kollegiatenschaft Sorgen, wie die dann ihre Pausen verbringen werden, durch die engeren Räume und den Pausenhof, den wir verlieren werden. Als Verbesserung sehe ich, dass wenn wir länger an unserem Standort geblieben wären, wir höchstwahrscheinlich hätten schließen müssen, da die Zahl der Bewerber*innen am Kolleg über die Jahre stetig zurückgegangen ist und keine Besserung in Aussicht scheint. Ich sehe die Bündelung als Überlebensweg für den Zweiten Bildungsweg an. Außerdem freue ich mich auf neue Kolleg*innen, da momentan keine neuen Lehrkräfte bei so niedrigen Schülerzahlen gebraucht werden und man neue Menschen kennenlernen kann.
Fr. Müller: Als Verbesserung sehe ich für mich selbst, dass der Arbeitsweg kürzer wird, da ich nun zwei Stunden weniger davon habe und eine neue Schulform kennenlernen werde. Auch wenn ich euch jetzt schon unglaublich vermisse, weiß ich, ich werde meinen Spaß mit den 16-Jährigen haben, mit denen ich dann zusammenarbeiten werde. Als Verbesserung für das Kolleg sehe ich, dass es die Chance bietet, nochmal über den Zweiten Bildungsweg nachzudenken, was dieser eigentlich bedeutet, und alte Muster von beiden Kollegs aufzubrechen. Und dass die Enge der Räume dazu beitragen könnte, dass es wieder mehr zu einem „Kolleg-Leben“ kommt. Vor allem für Kollegiat*innen, die vielleicht einsam sind und Bindungsängste haben: dass diese sich dadurch vielleicht mehr einbinden können und mehr Anschluss finden. Ich weiß, das ist ein sehr optimistisches Denken, aber ich hoffe, dass dadurch der Zweite Bildungsweg gerettet werden kann.
Fr. Lent: Die Herausforderung, nach 12 Jahren Arbeit mit Erwachsenen, wieder in den Ersten Bildungsweg zu wechseln, empfand ich am neu gegründeten Gymnasium als große Chance – da die Klassen am Rosalind-Franklin-Gymnasium erst hochwachsen, kann man als Lehrkraft quasi auch wieder reinwachsen in den Unterricht der verschiedenen Jahrgänge. Und Verbesserungen? Wer mich kennt, weiß, dass ich Schulentwicklung und die Entwicklung von Projekten und deren Umsetzung liebe – welche Chance also für mich, dies an einem Gymnasium zu tun, das sich noch finden und entwickeln muss!
Worauf freuen Sie sich (nicht)?
Fr. Borkowski: Es wiederholt sich etwas, aber ich freue mich auf jeden Fall auf einen Neustart und die volleren Kurse, gezwungenermaßen auch durch die kleineren Räume. Leider muss ich dafür auch mehr Klausurkorrekturen durchgehen, freue mich aber trotzdem auf die neuen Menschen.
Fr. Müller: Ich freue mich darauf, auf dem Ersten Bildungsweg arbeiten zu können, ohne mit Kindern arbeiten zu müssen, und neue Kolleg*innen kennenzulernen (Anmerkung: Fr. Müller wechselt auf ein berufliches Oberstufenzentrum). Was mir bewusst ist und worauf ich mich nicht freue, ist, dass es mich nochmal viel Kraft kosten wird, mich in die neue Schule einzuarbeiten/einzuleben. Doch freue ich mich darauf, immer mit einem guten Blick auf den Zweiten Bildungsweg zurückzublicken. Da ich mich nicht als eine Art Dienstleisterin sehe, sondern als Lernbegleiterin, freue ich mich darauf, dass das mit den neuen Schüler*innen wieder zurückkommen kann. Ich freue mich auch darüber, dass der eingeschlagene Weg, wie unfair er auch für das Berlin-Kolleg konkret ist, das Fortbestehen für das BK sichert. Jedoch bin ich sehr traurig darüber, dass ich das Arbeitsklima, das Kollegium und die Arbeit mit Erwachsenen zurücklassen werde.
Fr. Lent: Auf die Pubertät in all ihren Facetten freue ich mich definitiv nicht (lacht), ansonsten freue ich mich auf viel Neues.
Was werden Sie vermissen?
Fr. Borkowski: Das Gebäude, den Hof, die Rückzugsmöglichkeiten und die Turmstraße selbst, wie einige der Kolleg*innen, die nicht mitkommen werden. Besonders werde ich Fr. Müller und Fr. Lent vermissen (lacht).
Fr. Müller: Das Kollegium. Die Arbeit mit Erwachsenen natürlich und wie gut man sich hier versteht, dass man sich auf Augenhöhe begegnen kann. Dieses wunderschöne Gebäude werde ich vermissen, die Leute, mit denen ich zusammenarbeiten konnte.
Fr. Lent: Ich werde das Kollegium vermissen, das ich einfach schon so lange kenne. Ich weiß genau, mit wem ich wie was auf die Beine stellen kann … das wird mir fehlen… Es wird mir ebenfalls sehr fehlen, jede Stunde mit den Kollegiat*innen zu lachen.
Letzte Worte, Fr. Müller, Fr. Lent?
Fr. Müller: Ich hoffe, dass der zweite Bildungsweg gestärkt aus der Situation hervorgeht, dass die Leute ihr Abitur erfolgreich meistern und dass ich immer wieder zu den Festen zurückkommen kann, wenn welche veranstaltet werden. Ich gehe nicht in Wehmut, sondern mit guter Erinnerung und einem weinenden Auge.
Fr. Lent: Ganz ehrlich? Bei allem Optimismus wird der Abschied verdammt bitter werden!
Tasja: Ich danke Ihnen für das Interview.