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Brot und Spiele statt Stift und Schule

Kollegiat:innen, Lehrkräfte und Ehemalige feiern das Berlin-Kolleg. Im Hintergrund sorgen Freiwillige für ein gelungenes Fest.

12. September 2022. Eine Reportage vom Sommerfest des BK. Von Martin Lehmann

Elf Uhr vormittags. Für die Neu-Kollegiatinnen Jessica und Hüsna aus der Klasse E3 ist der Arbeitstag am Berlin-Kolleg für heute beendet. Vergnügt verlassen die beiden mitten in der Politikstunde von Frau Gül den Unterricht und eilen auf den sonnenüberströmten Hof. Heute ist Kollegfest, Beginn in einer Stunde. Jessica und Hüsna helfen beim Aufbau mit. Statt die politische Debatte mit dem Rest der Klasse fortzuführen, rücken die beiden Tische zurecht, platzieren selbstgemachtes Essen und besorgen Wechselgeld.

Elf Uhr nachts, zwölf Stunden zuvor. Mareike Lent, Sprachlehrerin am Kolleg und Hauptorganisatorin des Schulfests, hat gerade ihre letzte Email geschrieben. Während andere Lehrkräfte schon seit Stunden Feierabend haben, klärt Frau Lent die letzten Details fürs Fest und beantwortet geduldig Emails Hilfe suchender Kolleg:innen: Woher bekommt man Strom? Wer erhält die Einnahmen? Was darf in die Cocktails? Frau Lent weiß Rat auf alle Fragen. Schulfest am BK – das heißt, bevor es losgehen kann, zunächst einmal Organisieren und selbst Anpacken.

Aber Schulfest am BK, wenn es dann wirklich losgeht, bedeutet einen Schulhof voll Musik, Marmorkuchen und jeder Menge gut gelaunter Menschen. Einer von ihnen ist Roman aus Q1. Zusammen mit Spiros und den anderen von der Schulband probt er um kurz vor Zwölf ein letztes Mal an seiner Gitarre. Das Sakko sitzt, die Sonnenbrille auch, jetzt legt Roman los. Später werden viele Kollegiat:innen sagen, dass für sie der Auftritt der Schulband zu den Höhepunkten des Kollegfests zählt. Alle sind begeistert, sogar die Direktorin wippt vergnügt im Takt. Dann eröffnet sie das Fest mit einer kurzen Ansprache. Und weiter geht es mit der Band; fast 45 Minuten spielt sie ihr mitreißendes Programm. Am Ende ist das Urteil eindeutig – Spiros, Roman und die Band haben geliefert.

Hobbyköche treffen auf Verkaufstalente

Eingelegte Weinblätter am Stand der Klasse E4.

Zur selben Zeit, als Roman sich noch einspielt, sind Jessica, Hüsna und die E3 endlich bereit, die selbstgemachten Buletten und Salate zu verkaufen. Mit dem Erlös will die Klasse bald einen Ausflug machen. Dafür wurde alles minutiös geplant. Kerstin, die die Buletten abgebraten hat, ist heimlich an den anderen Ständen recherchieren gegangen. Erleichtert berichtet sie, dass die angedachten Preise genau im Rahmen liegen. Hamed hat noch schnell ein paar Pappteller organisiert: „100% recycelt, ohne Plastiküberzug. Falls jemand sein Geschirr vergessen hat.“ Als besondere Verkaufstaktik haben sie bei der E3 einen großen Korb mit saftigen Birnen besorgt. Farbige Schilder werben mit „Birne gratis dazu!“ um potentielle Käufer. Eine erste Kundin, Deutschlehrerin Frau Franz, ordert Salat und Buletten plus Birne – der Auftakt für einen erfolgreichen Verkaufsnachmittag.

Doch auch die Konkurrenz schläft nicht. Nebenan haben Natalia, Ipek und der Leistungskurs Biologie Börek mit Fleisch oder Käse zubereitet und bieten vegane Donuts zum Dessert an. Sie wollen ebenfalls eine Exkursion machen, und zwar ins Genlabor. Im LK Bio ist man sich zu nichts zu schade. Ein aufgekratzter Biologe bietet an, bei jedem verkauften Börek zu tanzen. Währenddessen preist die Klasse E4 nur 10 Meter weiter Crepes, Weinblätter und Kuchen an. Auch hier hat man eine spezielle Verkaufstaktik entwickelt. Schon vor dem Fest haben sie für ihren Stand mit „Brot und Spielen“ auf dem digitalen Vertretungsplan geworben. Kollegiat Leandro hat ein Backgammon-Spiel dabei, Saposi hält ein paar Badminton-Schläger parat und nebenan baut jemand einen Jenga-Turm. Leandros Klasse hat noch einen Startvorteil gegenüber der E3: Der gesamte zweite Block stand für den Aufbau zur Verfügung. Frau Lent kann heute keine Spanischstunde in der Klasse geben, schließlich muss sie das Fest organisieren. Glück für die E4. Dustins Crepes-Maschine duftet verführerisch; die eingelegten Weinblätter sind ansprechend garniert. Das Konzept scheint aufzugehen: Die ersten Kunden haben schon vor Zwölf Uhr angebissen.

Vielfältige Aktivitäten bis in den Nachmittag

Zum Tischtennisturnier geht’s da lang!

Kurz nach Zwölf, Showtime für die Schulband. Der Hof beginnt sich nun erst recht mit Kollegiat:innen und Lehrkräften zu füllen. Viele Ehemalige sind auch dabei. Überall herrscht ausgelassene Stimmung, während die Schulband spielt und spielt. Später wird ein DJ übernehmen und stundenlang für gute Laune sorgen. Langweilig wird es heute sowieso nicht, denn viele Kurse haben ein ausgefeiltes Unterhaltungsprogramm organisiert. Es ist nicht leicht, sich für ein Angebot zu entscheiden. Wo soll man bloß zuerst hin! E-Sports spielen am Smartboard? Zum Kurzfilm ins BK-Kino? Tischtennis in der Turnhalle? An einer Schnitzeljagd teilnehmen? Ab auf den Turm und unterwegs noch schnell ein bisschen Klavierunterricht? Viele entscheiden sich für Aktivitäten auf dem Schulhof. Schließlich scheint den ganzen Tag die Sonne. Außerdem ist hier das Epizentrum kulinarischer Genüsse und die GKV hat schon Getränke kaltgestellt. Und so herrscht über Stunden reges Treiben auf dem Hof, erst gegen 16 Uhr wird es dann deutlich leerer.

Die Verkaufsstände haben da bereits wieder abgebaut. Doch ein harter Kern feiert trotzdem weiter, bis in den tiefen Nachmittag hinein. Kerstin aus der E3 verteilt die letzten Gratis-Birnen an das Partyvolk und verrät, dass ihre Klasse mit dem Ertrag zufrieden ist. Die Buletten waren ein Renner, aber auch Hameds afghanischer Salat ging richtig gut.

Ein Fest für Ehemalige

Es überrascht, dass viele, die hier am längsten feiern, Gesichter aus vergangenen Zeiten sind. Es gibt so viel zu erzählen unter den Ehemaligen. Franziska studiert Wirtschafts-kommunikation an der HTW, Britta Erziehungswissenschaften an der FU. Shavi ist jetzt Pflegefachkraft und Victoria studiert in Leipzig Lehramt Spanisch. Philipp ist schon fertig mit dem Studium und hat bereits den ersten Vollzeitjob als Architekt. Sie alle sind heute zu ihrer alten Wirkungsstätte zurückgekommen. Warum eigentlich?

Zwei Ehemalige bringen es auf den Punkt. „Es war die beste Entscheidung meines Lebens, hier Abitur zu machen“, erinnert sich Britta. Victoria hat eine ähnliche Perspektive: „Die Zeit am BK damals, das war die beste Zeit meines Lebens.“ Philipp hört Victoria sprechen und nickt zustimmend. Was könnte es also Schöneres geben, als diese Zeit beim Schulfest am Berlin-Kolleg noch einmal aufleben zu lassen?