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Ex-Kollegiat Marcus blickt zurück: „Am Ende musst du sagen können: Ich hab‘ für mich das Bestmögliche rausgeholt.“

Wir BK Journalist:innen haben ein ausführliches Interview mit Marcus zu seinem weiteren Lebensweg nach dem Kolleg geführt. Der Ex-Kollegiat reflektiert im Gespräch seine Erfahrungen. Hier veröffentlichen wir Marcus‘ Gedanken zum Thema Studium, auch im Vergleich zum Berlin-Kolleg.

Zur Person: Marcus hat direkt nach einer Lehre als Mechatroniker mit Anfang Zwanzig sein Abitur am Berlin-Kolleg nachgeholt (Abschlussjahrgang 2011). Er hat im Anschluss an einer kleineren Uni in Norddeutschland ein Studium zum Wirtschaftsingenieur absolviert. Marcus lebt und arbeitet im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern und hat eine kleine Familie. 

Wenn du das Abi am BK mit deinem Studium vergleichst, würdest du sagen, dass dein Studium fordernder war? 

Punktuell ja. Also es gab halt auch im Studium Kurse, die mir leicht gefallen sind. Und dann gab es da auch richtige Herausforderungen. Und ich muss sagen, gerade hier am BK, in bestimmten Kursen hab ich nicht so viel lernen müssen, da hat mir sozusagen die Anwesenheit gereicht, was im Studium noch mal anders ist.  Der Lehrplan ist an der Uni eher breit und der Prof sagt sich dann manchmal eben: Hier nehme ich mal was raus und da nehme ich mal was raus, daher ist die Klausurvorbereitung im Studium wesentlich schwieriger gewesen in manchen Situationen. Aber man hat natürlich bei manchen Profs das Glück, dass sie seit 20 Jahren die gleichen Klausuren machen (lacht).  

Aber: Bestimmte Kurse waren für mich auch am Kolleg herausfordernd… [Klicke auf den Play-Button, um einen kleinen Hör-Eindruck zu bekommen und Marcus‘ volle Antwort zu erfahren!]

…und da war ich im Studium noch mal ein bisschen mehr hinterher als vielleicht hier. 

Hat dich der Unterricht am Kolleg sinnvoll auf das Studium vorbereitet? 

Also ich muss sagen, zu einem gewissen Teil ja, v.a. meine Leistungskurse Physik und Mathe. Ansonsten, ich weiß nicht. Der sprachliche Gebrauch, den man hier lernt, auch. Man muss im Studium und später im Beruf viele Texte verfassen, prüfen, gegenlesen. Das hat einen schon vorbereitet. Es gibt aber auch Kurse, wo ich sage: Nicht zwingend notwendig. Was jetzt aber vielleicht auch mit meinem nicht vorhandenem Faible für die fünfte Interpretation in Deutsch oder Englisch zu tun hat. Politik, Geschichte fand ich interessant, aber das ist halt nicht meine Stärke. Es ist ja nicht so, dass es gar keinen Spaß gemacht hat, aber es ist halt bei mir so, dass die andere Gehirnhälfte, die naturwissenschaftliche, wesentlich schneller rattert, logisches Denken und so.  

Wie hast du die sozialen Unterschiede an deiner Uni wahrgenommen? 

Also es gab schon ein paar Leute, die da einfach die ‚typische‘ Akademiker-Laufbahn gemacht haben. Alle paar Monate schickt man denen am besten noch Geld von zu Hause zu, manchen fliegt das Studium dann zu. Die gehen 7 Tage die Woche feiern, gucken sich das Buch einmal von außen an, einmal von hinten und schreiben trotzdem eine Zwei in der Klausur. Und du denkst dir so: Ja toll, ich war jobben! Ich habe jede Vorlesung besucht, Ich habe viel am Wochenende gesessen und bin gerade so mit 3,7 durch den Kurs gekommen. Das Leben ist nicht fair. Also, es gibt da schon Unterschiede. Du bist ja auch in einer komplett neuen Stadt. Wie vernetze ich mich hier? Wo ist das und das? Da haben natürlich Studenten aus Akademikerfamilien weniger Fragen. Am besten noch, weil man den großen Bruder hat, der schon an der Hochschule studiert und der kennt da den Prof oder der spielt mit jemandem Tennis zusammen. Also es ist nicht so, dass diese Leute direkt bevorzugt werden, aber sie sind natürlich wesentlich vernetzter und das vereinfacht vieles.  

Aber am Ende ist es auch eine Herausforderung. Und ich hab es ja trotzdem geschafft! 

Hast du diese Leute beneidet? 

Weiß ich nicht. Es bringt ja nichts, sich mit den Leuten links und rechts zu vergleichen, weil man kennt den Rahmen nicht, den sie vorher hatten, die Koffer, die sie mitschleppen oder sonst was. Am Ende musst du sagen können: Ich habe für mich das Bestmögliche rausgeholt. Und Scheitern kann genauso dazugehören. 

Gibt es etwas, was du unseren Kollegiat*innen raten würdest bzw. auch Dinge, die du vielleicht heute als Kollegiat anders machen würdest als damals? 

Setzt euch auch mal nachmittags ran und unterstützt euch gegenseitig! Was ich anders machen würde? Nicht vieles. Vielleicht ein bisschen mehr Ehrgeiz zum Abitur hin zeigen? Allerdings muss ich sagen, ich hatte damals schon meine Zusage für das Studium, d.h. ich wusste: Wenn ich das Abi bestehe, bin ich auch durch, so dass ich gesagt habe: Ja, okay… (lacht). Aber andersherum ist es heute im Lebenslauf auch nicht mehr wichtig. Ob ich jetzt einen NC von 1,0 habe oder ob es 2,5 oder 2,9 sind: So what? Man muss irgendwie mit sich selbst im Reinen sein.  

Was würdest du denn den Kollegiat*innen von heute zum Abschluss mit auf den Weg geben? 

Also ich finde: Versucht hier alle Chancen wahrzunehmen, die ihr habt, auch über Engagements mit Lehrern und Kollegiaten in Kursen links und rechts, so wie ihr BK Journalist:innen es hier gerade macht, aber auch bei verschiedensten Veranstaltungen. Das ist schon einfach auch eine Chance in der Lebenssituation, die ihr habt! 

Vielen Dank für das Interview!