Zeit. Reflexion.

Hypnotische Schwingung des Geistes in den Armen der Welt, – Zeit ist die Fiktion einer im Jetzt gefangenen Seele. Wie ein Schmetterling unter Glas, von der Nadel des Bewusstseins durchstochen und festgehalten, schön eingerahmt. Die Flügel flattern noch, doch mit Fliegen ist nichts mehr. Das Smaragdgrün, der Satinglanz der Flügel werden noch eine Weile von müßigen Passanten bewundert, bis man den Schmetterling samt anderen zufälligen Exponaten in den Dachboden verschleppt.

Die Falten auf seiner Stirn, die nun reglosen traurigen Augen, die langen Finger, die nie mehr krampfhaft ineinandergreifen, sich nie mehr so stramm aneinander festhalten, dass die Farbe weicht und sie weiß werden. Nun gut, Schmetterlinge haben keine Finger. Umso besser für sie. Zeit ist die quälende Kontinuität des fragenden Ich. Zeit ist die ewige Stille. Zeit ist der stille Zuschauer, der mein Leben mit blankem Blick mitverfolgt. Und wenn ich, vom maßlos überzogenen Akt ausgelaugt, ausgehöhlt, mich dem Publikum zuwende und einen Ruf der Verfremdung an den Saal richte, steht er auf und schaut mir blank in die Augen.

Zeit ist ein stumpfes Echo meiner Rufe. Ich habe viele von der Bühne stürzen sehen, bei dem Versuch, im leeren Saal dem einzigen Zuschauer zu begegnen. Still und unbewegt saß er da, als sie von der Bühne stürzten. Monument der kosmischen Gleichgültigkeit. Ein Inbild der wahrhaft grausamen göttlichen Anmut. Und wenn ein Stück zu Ende gespielt war, wenn der schwere purpurne Vorhang vor die Bühne fiel, stand er langsam auf und verließ den Saal mit einem letzten farblosen Gruß. Zur nächsten Vorstellung. Wo er unbewegt zuschauen wird, wie Figuren von der Bühne stürzen.

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