Ein Feature-Beitrag von Sara.
Dienstagvormittag am Berlin-Kolleg: Die Kollegiat*innen des Philosophie-Grundkurses werfen einen Blick auf Programmierungen von Herrn Kube und tauschen sich über künstliche Intelligenz aus. Nein, das ist kein Tippfehler. Ihr habt richtig gelesen: Das ist der Philosophie-Kurs. Aber warum werden Inhalte der Informatik im Philosophieunterricht eingebunden? Darf man das? Wer macht denn sowas?
Sowas macht Herr Kube. Und na klar darf er dass, schließlich befinden wir uns im Jahr 2024.
Stereotypenbrecher in der Bildungswelt
Trotz vielseitiger Bemühungen, uns von Vorurteilen und Schubladendenken zu befreien, prägen bestimmte Eigenschaften oder stereotype Bilder nach wie vor die Vorstellungen vieler Menschen, wenn sie einen bestimmten Begriff hören. Nehmen wir als Beispiel das Wort „Informatiker“. Wenn wir an einen Informatiker denken, erwischen wir uns vielleicht dabei, uns einen zurückhaltenden, introvertierten, ja fast schon antisozialen Menschen vorzustellen, der die Gesellschaft von seinem Computer gegenüber anderen Menschen bevorzugt und ein Weltbild wie ein klares System hat – der typische Schwarz-Weiß-Denker. Oder auch, dass wir beim Thema Philosophie-Unterricht sofort an Kant denken und eine milde-wirre Denkernatur assoziieren, die das dann unterrichtet. Wahrscheinlich als letztes, wenn überhaupt, denken wir in diesem Zusammenhang an Themen wie künstliche Intelligenz. Diesem Schubladendenken tritt ein Lehrer wie Herr Kube jedoch sowohl mit seiner Fächerwahl als auch mit seiner Persönlichkeit entgegen. Er durchbricht dabei die gängigen Klischees des Computer-Nerds.
Herr Kube: Was für eine Lehrerpersönlichkeit hat er?
Herr Kube wird von Kollegiat*innen als freundlich, kontaktfreudig und gesprächig beschrieben. Diese Eigenschaften manifestieren sich nicht nur am Berlin-Kolleg, sondern auch in seiner Präsenz auf YouTube (dort hat er einen eigenen Kanal). Sowohl vor Unterrichtsbeginn als auch nach dem Unterricht ist er oft in Gespräche mit Kollegiat*innen verwickelt, die nicht zwangsläufig den Unterrichtsstoff betreffen. „Ich habe erst bemerkt, dass Herr Kube ein Lehrer ist, als ich ihn bei den AT-Gesprächen im Flur gesehen habe. Ich dachte immer, das wäre auch ein Kollegiat“, sagt eine Kollegiatin, die ihn nicht näher kennt, über den Lehrer. Nicht nur seine optische Erscheinung und sein junges Alter sorgen für diese Verwechslung, sondern auch die Art und Weise, wie er sich mit Kollegiaten auf Augenhöhe unterhält.
Die Ergebnisse einer kleinen Umfrage unter Herrn Kubes Kollegiat*innen zeigen deutlich, dass die Mehrheit der Meinung ist, Herr Kubes Wirken entspreche nicht dem klassischen Stereotyp eines Informatikers.
Auch in den weiteren Antworten der Befragten kristallisiert sich Herr Kubes Lehrerpersönlichkeit deutlich heraus. Viele nennen ähnliche Adjektive oder Synonyme für Herrn Kube; allesamt Beschreibungen, die man wahrscheinlich eher nicht in Verbindung mit einem stereotypen Informatiker erwarten würde.
Dennoch waren 9,1% der Befragten der Meinung, dass Herr Kube als „Informatiker“ einzuschätzen sei (was ja auch stimmt). Auch das Wort „Informatik“ wurde öfter genannt, daher kann man die klassische Informatiker-Seite bei Herrn Kube wohl nicht gänzlich leugnen. Es stellt sich außerdem die Frage, wie Herr Kube leidenschaftlicher Informatiker und Philosophie-Lehrer zugleich geworden ist, obwohl diese Themenbereiche kaum unterschiedlicher sein können.
Eine ungewöhnliche Fächerwahl
Die Kombination von Philosophie und Informatik mag auf den ersten Blick außergewöhnlich erscheinen, doch für Herrn Kube sind sie zwei Seiten derselben Medaille. Er betrachtet nicht nur die Informatik Lehre der Logik, sondern ebenso die Philosophie.
Die Philosophie macht da weiter, wo die Informatik nicht weiterkommt.
Herr Kube im Gespräch mit Sara
Während des Studiums stellen sich die beiden Disziplinen vor allem als abwechslungsreiche Wahl dar, doch beim Unterrichten entdeckt Herr Kube faszinierende Parallelen und Überschneidungen, wie beispielsweise in der Technikethik. Seine Perspektive auf diese Fächerkombination zeigt, wie sich Informatik und Philosophie gegenseitig ergänzen können.
Durch die Herangehensweise von Herrn Kube an diese beiden Fächer wird deutlich, dass er scheinbar nicht gerne den typischen, vorgegebenen Weg geht, sondern gerne seinen Horizont zu erweitern scheint und eine eher originelle Vorgehensweise zeigt. Seine YouTube-Videos behandeln beispielsweise auch philosophische Themen, wobei er sein technisches Geschick mit seinem philosophischen Fachwissen verbindet. Außerdem gehört Herr Kube zu den wenigen Lehrern, die das Lernen mit Künstlicher Intelligenz, wie zum Beispiel ChatGPT, uneingeschränkt befürworten. Er könnte sich damit nicht stärker abheben von Lehrkräften, die diese „neumodische Technik“ sofort als ungeeignet oder ineffektiv für Schüler abtun.
Leidenschaft für die Informatik und Kompetenz sind also vorhanden. Auch mögliche alternative berufliche Perspektiven stellen sich einem Informatik-Lehrer wie Herrn Kube viel konkreter dar als beispielsweise einem Deutschlehrer. Natürlich brächte dies auch potenziell höhere Gehälter mit sich. Herr Kube gibt hierzu an, dass solche Angebote durchaus aufgetreten seien, er diese jedoch bewusst abgelehnt habe.
Warum Herr Kube den Beruf als klassischer Informatiker ablehnt
Nach seinem Abitur durchläuft der angehende Informatik- und Philosophielehrer eine Phase der Unsicherheit bezüglich des eigenen beruflichen Werdegangs. Während seines Zivildienstes im Kindergarten reflektiert er intensiv über seine Zukunft. Obwohl ihm die Arbeit im Kindergarten gefällt, vermisst er die fachliche Komplexität, die er sucht. In einem Prozess der Reflexion setzt Herr Kube sich persönliche Ziele, wobei das Gründen einer Familie als zentrales Element hervorsticht. Für ihn bedeutet dies nicht nur finanzielle Sicherheit zu gewährleisten, sondern auch als präsenter Vater und Ehemann da zu sein. Daher entscheidet er sich für das Lehramtsstudium und den Lehrerberuf. In der Folge absolviert Herr Kube sein Referendariat am Berlin Kolleg sowie an einer herkömmlichen Schule mit Jugendlichen.
Die bewusste Wahl des Lehrerberufs auf dem zweiten Bildungsweg begründet er damit, dass die Arbeit mit Erwachsenen ihm besondere Freude bereite. Kollegiat*innen bringen seiner Meinung nach viel mehr eigene Lebenserfahrung ein, was auch ihm interessante Einblicke in diverse Bereiche ermögliche. Er selbst empfiehlt den Lehrerberuf aber nur denjenigen, die wirklich eine Leidenschaft am Unterrichten entwickeln können. Gleichzeitig warnt Herr Kube auch davor, dass beim Lehrerberuf für einige Interessent*innen Vorsicht geboten sei. Denn dieser basiere nicht nur auf dem Erwerb von fachlichen Komponenten, sondern auch auf der Leidenschaft, dem Interesse und der Passion, Lehrperson sein zu wollen.
Lehrerpersönlichkeit kann man nicht lernen.
Herr Kube im Gespräch mit Sara
Ein weiterer und entscheidender Aspekt in seinem Job ist für den Philosophie- und Informatiklehrer die klare Trennung zwischen Privatleben und Arbeitsleben sowie eine stabile Perspektive, auf die sich der Familienvater gerne verlässt. Ein Job in der Informatik würde auch mehr Eigenverantwortung und wahrscheinlich weniger Zeit für seine Familie bedeuten. Herr Kubes klare Priorisierung zugunsten von Familienzeit und persönlicher Erfüllung unterstreicht nicht nur seine authentische und engagierte, sondern vor allem auch seine an ihm wichtigen Menschen orientierte Persönlichkeit.
Die Herausforderungen und Vorzüge des Zweiten Bildungswegs
Herrn Kube zufolge haben viele Kollegiaten triftige Gründe dafür, warum sie erst im Erwachsenenalter das Abitur anstreben. Diese Gründe, welche oft mit der Metapher eines „steinig(er)en Lebenswegs“ erfasst werden können, holen einige seiner Lernenden auch am Kolleg wieder ein. Als Lehrer und Mensch empfindet er es als besonders belastend mit anzusehen, wenn Kollegiaten das Potenzial haben, ihr Abitur zu machen, aber die persönlichem Umstände diesem Potenzial im Weg stehen. Im Vergleich zu Lehrkräften an Schulen mit Jugendlichen, die ihren Fokus stärker auf Disziplin und Pädagogik legen und eher daran arbeiten, eine homogene Klassengemeinschaft zu formen, sieht der Unterricht auf dem zweiten Bildungsweg anders aus. Die Kollegiaten sind äußerst individuell und bereits erwachsen. Sie sind bereits stärker von ihrer eigenen Lebensgeschichte geprägt und bringen ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit. Daher ist es für Herrn Kube von besonderer Bedeutung, jeden einzelnen Kollegiaten als Erwachsenem zu begegnen, zu sehen und zu respektieren. Dies kann jedoch auch eine Herausforderung sein. Diese Herangehensweise ist für Lehrkräfte des Zweiten Bildungsweges durchaus typisch, wie verschiedene Bildungsstudien zum ZBW zeigen.
Diese besondere Persönlichkeitsorientierung seines Unterrichts wird auch während eines Recherchegesprächs deutlich. Herr Kube betont immer wieder den Anspruch, als Lehrer auf dem Zweiten Bildungsweg die Menschen als Individuen und Persönlichkeit ernst zu nehmen und zu betrachten. Dieser Herangehensweise misst er eine große Bedeutung zu. Er teilt auch inspirierende Geschichten von ehemaligen Kollegiat*innen, die trotz Widrigkeiten ihren Bildungsweg am Berlin-Kolleg erfolgreich absolviert haben. Beispielsweise eine ehemalige Kollegiatin, Mutter von vier Kindern, die das Kolleg hervorragend gemeistert habe und nun an einer Universität mit sehr begrenztem Platzangebot eingeschrieben sei. Für sie hat er ein persönliches Empfehlungsschreiben verfasst. Ebenso erzählt Herr Kube von einem Kollegiaten, der in seinem Unterricht die Leidenschaft für das Programmieren entdeckt habe und nun neben seinem Studium in der IT-Abteilung einer Firma in einer verantwortlichen Position tätig sei. Diese beiden Kollegiat*innen dienen Herrn Kube als Leuchtturmbeispiele erfolgreichen Lehrens und Lernens, auf die er gerne zurückblickt. Beide Personen haben sich nach ihrem Abschluss bei Herrn Kube gemeldet und ihm ihre erfreulichen Neuigkeiten mitgeteilt. Die Tatsache, dass sich die Ex-Kollegiat*innen aktiv bei ihm melden, unterstreicht die nachhaltige Wirkung seiner Lehrtätigkeit.
Herr Kube zeigt sein Engagement auch in einem Interesse an selbstständigen Projekten und Aktionen der Kollegiat*innen am Berlin-Kolleg. Diese böten einen Ausgleich, den er als einzigartig bezeichnet. Vor allem zeigt sich sein eigener Einsatz in der Leitung einer Aktien-AG, die er seit zwei Jahren mit großer Begeisterung in seiner Freizeit unbezahlt betreibt. Auch wegen des Mangels an formalen Kursen oder Fachrichtungen im Bereich Wirtschaft engagiert er sich hier aktiv, da er finanzielle Grundbildung und Allgemeinbildung als untrennbar voneinander betrachtet. So wird nochmals deutlich, dass es sich bei Herrn Kube nicht um einen Lehrer handelt, der Dienst nach Vorschrift macht, sondern vielmehr einen Mann, der aus Leidenschaft unterrichtet und in seiner Berufung aufgeht.
Ein finaler Ratschlag von Herrn Kube
Dann gibt es Sachen, bei denen man Talent und Interesse hat, und darauf sollte man sich konzentrieren. Das ist natürlich in der Allgemeinbildung, […] nicht ganz so leicht wie später im Studium. Aber wenn man es als Eintrittskarte begreift, [..] als Fundament, kann man den Sinn hinter der ganzen Geschichte erkennen. Und ich bin zufrieden, wenn in meinem Unterricht jemand sagt: „Ich fand dies und jenes interessant, damit möchte ich mich weiter beschäftigen.
Herr Kube im Interview mit Sara
Wir sehen, dass die Zuschreibung „Stereotypenbrecher“ Herrn Kube zweifellos gebührt. In allen Facetten seines Lebens wird offensichtlich, dass er zu vielseitig ist, um in das Schubladendenken von einem Computer-Nerd hineinzupassen. Persönlichkeiten wie Herr Kube sind entscheidend, um unsere Welt so bunt, wie sie wirklich ist, wahrzunehmen und sich nicht von vorgegebenen Kategorien oder Denkmustern beeinflussen zu lassen. Die zentrale Botschaft, die Herr Kube vermittelt, lautet, den eigenen Leidenschaften zu folgen. Herr Kube – Familienvater, Ehemann, Lehrer, Informatiker, und vor allem: ein respektvoller, guter Mensch.